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Ausblick 2023: Vier Menschen, vier Visionen

Vier Fachpersonen geben einen Einblick in ihre Aufgaben, ihren Antrieb und ihre Vision fürs 2023. Die Themen sind Generationendialog, Inklusion, Freiwilligenarbeit und Armut – die vier Schwerpunkte des Gesellschaftsblogs.



Das sind die Interviewpartner*innen:

  • Inklusion: Silvana Lindt, SRK Kanton Aargau (Bild oben links)

  • Armut: Thomas Künzler, Genossenschaft Caritas-Markt (Bild o.r.)

  • Freiwilligenarbeit: Nathalie Faoro, Schreibdienst Stadt Zürich (Bild u.r.)

  • Generationendialog: Jürg Niklaus, Pro Senectute Kanton Zürich (Bild u.l.)


Frage 1: Was ist deine Funktion und was sind deine Aufgaben?

Silvana Lindt: Als Freiwilligenmanagerin stelle ich sicher, dass unsere SRK-Freiwilligen gute Rahmenbedingungen während ihrem Engagement erleben und bin ich für die Strategie sowie das Netzwerk mit anderen Organisationen aus dem Freiwilligenbereich zuständig. Beim SRK Kanton Aargau engagieren sich um die tausend Freiwillige für verletzliche Menschen jeden Alters und jeder Herkunft.

Thomas Künzler: Ich arbeite als Geschäftsleiter der Caritas-Märkte. Wir stellen stark vergünstige Lebensmittel für Armutsbetroffene in der Schweiz zur Verfügung. In den 22 Märkte in der Schweiz führen wir aktuell knapp 1'000 Artikel. Gerade in der aktuellen Wirtschaftssituation mit der starken Teuerung steigt dieser Bedarf nach vergünstigten Lebensmitteln.

Nathalie Faoro: Seit Februar 2021 leite ich den Schreibdienst mit vier Mitarbeiter*innen. Gemeinsam mit dem Team bin ich für die qualitative Weiterentwicklung und das Sicherstellen der Angebote zuständig. Projektarbeiten und die Einsatzplanung der Mitarbeiter*innen gehören ebenfalls zu meinen Aufgaben. Und was mir besonders wichtig ist – und mir grosse Freude bereitet – ist mein regelmässiger Einsatz im Schreibbüro. Die enge Zusammenarbeit im Team, der direkte Austausch mit den Freiwilligen und der Kundschaft inspiriert und motiviert mich enorm.

Jürg Niklaus: Ich arbeite als Fachverantwortlicher Generationenbeziehungen bei Pro Senectute Kanton Zürich und bin daneben noch in Generationenprojekten tätig. Wir sind einerseits eine Freiwilligen- und Altersorganisation, haben in unseren Leitsätzen aber klar festgehalten, dass wir auch den Generationenaustausch fördern wollen.

Frage 2: Welche Dienstleistung steht sinnbildlich für euer Engagement?

Silvana Lindt: Im neuen Pilotprojekt «Zäme» begleiten und unterstützen Freiwillige des SRK Kanton Aargau geflüchtete Menschen mit Schutzberechtigung beim Familiennachzug. Die Menschlichkeit steht im Fokus – nämlich das Zusammenbringen von getrennten Kindern und deren Eltern. Freiwillige unterstützen administrativ oder leisten psycho-sozialen Support. Juristisch werden die Fälle von Fachpersonen der SRK-Geschäftsstelle beraten.

Thomas Künzler: In unseren Caritas-Märkten werden die wichtigsten Grundnahrungsmittel unter dem Einstandspreis an die Kundinnen und Kunden abgegeben. Gerade für Armutsbetroffene ist dieses Angebot in der aktuellen Zeit wichtig, um das Budget zu entlasten. Gleichzeitig werden sie im Caritas-Markt nicht stigmatisiert und der Einkauf ruft nicht das Gefühl der Exklusion hervor.

Nathalie Faoro: Das wohl bekannteste unserer Angebote ist das täglich geöffnete Schreibbüro. Dort unterstützen rund 65 Freiwillige die Bewohner*innen der Stadt Zürich bei deren schriftlichen Alltagsanliegen. Betreut werden die Freiwilligen durch festangestellte Mitarbeiter*innen des Schreibdiensts. Während der Öffnungszeiten des Schreibbüros stehen Computer zur selbständigen Nutzung sowie ein Drucker mit Scanfunktion zur Verfügung. Ausserdem verfügt der Schreibdienst über eine Fotostation, um Portraits für Lebensläufe aufzunehmen.

Jürg Niklaus: Pro Senectute Kanton Zürich bietet Angebote wie «Generationen im Klassenzimmer» oder «Wohnen für Hilfe» an. Seit 2009 führt die Fachstelle Generationen­beziehungen das Projekt «GenerationenAteliers» im Kanton Zürich durch. In Themen­workshops stellen sich dort verschiedene intergenerative Projekte vor. Danach werden praktische Fragen diskutiert, Erfahrungen ausgetauscht und Hilfeleistungen angeboten.


Frage 3: Was treibt dich an?

Silvana Lindt: Vor Weihnachten traf ich im Zug einen Mann, den ich von meiner früheren Arbeitstätigkeit als Integrations-Coach kenne. Er war damals der Liebe wegen aus Senegal in die Schweiz gereist. In seiner Heimat war er als IT-Spezialist tätig, in der Schweiz fing er wieder bei Null an. Dank seinem Fleiss und einem guten Netzwerk von vielen freiwilligen Mentor*innen gelang schliesslich der Job-Einstieg. Er erzählte mir, dass er immer noch beim selben Schweizer Telekommunikationsunternehmen in neuer Position tätig ist – und wollte sich sofort bei uns als Freiwilliger engagieren. Das ist wunderschön! Und es ist kein Einzelfall. Freiwilliges Engagement ist immer ein Geben und Nehmen.

Thomas Künzler: Viele Armutsbetroffene sind unverschuldet in Not. Unsere Kundinnen und Kunden sind grösstenteils Working Poor, bei denen der Lohn für das Leben nicht reicht. Ebenso haben wir einen grossen Anteil älterer Personen, bei denen die Altersrente für das Leben kaum reicht. Aber auch Flüchtlinge können auf unsere Unterstützung zählen. Mir ist es wichtig, mit den Caritas-Märkten diesen Menschen eine Auswahl an Lebensmittel anzubieten, mit denen sie sich ausgewogen ernähren können.

Nathalie Faoro: Ich empfinde die Arbeit mit den unterschiedlichen Menschengruppen (Kund*innen, Freiwillige, Partnerorganisationen und im Team) als sehr inspirierend und bereichernd. Ich habe das Gefühl, dass mein Einsatz sinnvoll ist, da ich überzeugt bin, dass wir mit dem Schreibdienst einen Beitrag zur sozialen Integration in der Stadt Zürich leisten. Weiter motiviert mich das grossartige Engagement und Interesse unserer Freiwilligen. Das zeigt einmal mehr, wie wichtig Freiwilligenarbeit für das Funktionieren der Gesellschaft ist und dass viele Aufgaben der Stadt ohne Freiwillige nicht denkbar wären.

Jürg Niklaus: Für mich wichtige Ziele der Pro Senectute sind die Förderung der gegenseitigen Akzeptanz, die Vernetzung und die Förderung des intergenerativen Zusammenlebens und der Abbau von Stigmatisierungen. Ebenfalls sehr wichtig ist mir die Pflege und das Erleben von gemeinsamen Interessen. Die Älteren bringen Wissen, Erfahrung und Geschichte ein, die Jüngeren neue Technologien und Ideen. Es geht darum, Teams zu schaffen, die sich gegenseitig bereichern.


Frage 4: Was ist deine persönliche Vision fürs 2023?

Silvana Lindt: Beim SRK haben wir die Vision, dass kein Mensch aufgrund von Armut, Krankheit, Religion oder Herkunft Ausgrenzung aus der Gesellschaft erfahren muss. Mein persönliches Ziel im 2023 ist deshalb, dass wir neue Freiwillige erreichen: Junge Männer, zugewanderte und berufstätige Menschen sowie Familien. Ich möchte auch, dass wir partizipativer werden und den Austausch zwischen den Freiwilligen noch mehr fördern. Gemeinsam können wir neue, vielfältige Angebote entwickeln und die Vision umsetzen.

Thomas Künzler: Unser Sortiment soll dieses Jahr noch günstiger werden. Oder anders ausgedrückt: Wir arbeiten daran, dass wir die Teuerung auf den vielen Produkten nicht auf die Abverkaufspreise überwälzen müssen. Im Weiteren wollen wir 3’000 Tonnen Lebensmittel vor der Vernichtung retten und weitere Sponsoren für die Vergünstigung unseres Angebots an saisonalem Gemüse und frischen Früchten gewinnen. Zudem optimieren wir die Logistik der Produkte weiter, um die CO2-Belastung zu verringern.

Nathalie Faoro: Ich wünsche mir, dass wir die Angebote des Schreibdienst Zürichs partizipativ, das heisst, unter Einbezug verschiedenster Akteur*innen weiterentwickeln können – immer mit dem Ziel, jene Menschen zu erreichen, die aufgrund mangelnder Grundkompetenzen auf die Unterstützung angewiesen sind und / oder Zeit & Lust haben, sich entsprechende Grundkompetenzen (z.B.: in der Bewerbungswerkstatt) anzueignen.

Jürg Niklaus: Ich wünsche mir, dass der Generationenaustausch weiterhin lebendig bleibt und in den Gemeinden noch stärker in bestehenden Strukturen zusammenführt wird. Wieso nicht das Jassen als «Generationen-Jassen» anbieten oder die Jugendriege für ein Seniorenturnen einladen? Damit wird der Separatismus aufgebrochen und es entsteht eine Natürlichkeit. So kann über die Aktivitäten hinaus ein Zusammenhalt und ein respektvolles Miteinander entstehen.

 

Das sind die Organisationen und Angebote in Kürze:


Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) ist die älteste und grösste humanitäre Organisation der Schweiz. In den Bereichen Gesundheit, Integration und Rettung engagiert sie sich für Menschen in Not. Sie ist in der ganzen Schweiz vertreten und in rund 30 Ländern aktiv. Das SRK umfasst 24 Kantonalverbände und vier Rettungsorganisationen. Mehr dazu...


In den schweizweit 22 Caritas-Märkten können armutsbetroffene Menschen Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs zu stark ermässigten Preisen beziehen. Die Einsparungen gegenüber den Detailhändlern betragen bis zu 75 Prozent. Das Sortiment umfasst Früchte und Gemüse, Grundnahrungsmittel, Hygieneartikel und alle wichtigen Produkte des täglichen Bedarfs. Mehr dazu...


Der Schreibdienst bietet Einwohner*innen der Stadt Zürich unkomplizierte Unterstützung bei administrativen Anliegen und Alltagsfragen in deutscher Sprache. Das Angebot umfasst die Unterstützung durch Freiwillige im Schreibbüro, weiterführende Beratungen durch unseren Sozialarbeiter und Lernangebote zur Förderung von Alltags- und Grundkompetenzen. Mehr dazu...


Seit mehr als 100 Jahren setzt sich Pro Senectute für die ältere Bevölkerung ein. Als politisch neutrale grösste Fach- und Dienstleistungsorganisation für das Alter in der Schweiz beraten wir Seniorinnen und Senioren und deren Familien in über 130 Beratungsstellen. Wir unterstützen ältere Menschen dabei, so lange als möglich in den eigenen vier Wänden wohnen zu können. Mehr dazu...

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