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Schweizer Tafel: täglich im Einsatz für Armutsbetroffene

Aktualisiert: 19. Nov. 2022


Um Punkt acht Uhr morgens stehe ich gemeinsam mit sieben Freiwilligen und Zivildienstleistenden im Büro der Schweizer Tafel in Pratteln. Die Einsatzbesprechung beginnt. Michele Hostettler, der Regionalleiter Nordwestschweiz, stellt mich vor, teilt die Anwesenden auf vier Touren ein und gibt der Gruppe letzte Anmerkungen vom Vortag weiter. Ich bin der ersten Tour zugeteilt und begleite Elio Bianchi als Zivildienstleistender auf seiner heutigen Fahrt.


Verteilen statt wegwerfen


Das Gebiet umfasst den Grossraum Basel und Pratteln. Wie alle sechs Regionalstandorte verfügt auch Pratteln über Büro- und Lagerräumlichkeiten sowie Kühlfahrzeuge. Obschon die Region Nordwestschweiz die kleinste Region der Schweizer Tafel ist, können die Waren sehr kompakt abgeholt und verteilt werden. Im letzten Jahr wurden 1079 Tonnen Lebensmittel an 90 Abnehmer in der Umgebung Basel verteilt. Die Schweizer Tafel holt noch einwandfreie, überschüssige Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden dürfen bei Grossverteilern, Produzenten und Detaillisten ab. Anschliessend werden die Lebensmittel kostenlos an soziale Institutionen abgegeben, welche sich um armutsbetroffene oder sozial benachteiligte Menschen kümmern. Die Abnehmer sind Obdachlosenheime, Gassenküchen, Notunterkünfte und Frauenhäuser, die daraus Mahlzeiten zubereiten. Auch Lebensmittelabgabestellen werden beliefert. Dort können Menschen mit nachweislich kleinem Haushaltsbudget ihre Einkaufstaschen kostenlos füllen. Diese direkte Weitergabe an soziale Institutionen zeichnet die Arbeit der Schweizer Tafel aus.


Armut lindern

Elio kennt die Arbeit und die Stadt wie seine Hosentasche. Wir fahren Spende- und Abnahmeorte gemäss Tourenplan an und liegen in der vereinbarten Zeit. Die Abgabezeiten auf dem Tourenplan gilt es einzuhalten, denn die sozialen Institutionen erwarten die Lebensmittellieferungen. Bei ihnen angekommen, haben sie auch klare Vorstellungen, was sie benötigen. Das Angebot der Lebensmittel hingegen ist schwankend: weitergegeben wird, was zuvor bei den Filialen der Grossverteiler abgeholt wurde. Eine exakte Planung ist dabei schwierig. Das Ein- und Ausladen der Kisten ist eine körperlich anstrengende Tätigkeit, doch mit Genugtuung verbunden. Die meisten sozialen Institutionen zeigen eine grosse Dankbarkeit und Wertschätzung für die gespendeten Lebensmittel. Als Motivation für seine Arbeit nennt Elio die Übernahme von Verantwortung, die Selbständigkeit und die Sinnhaftigkeit. Das Sinnvolle an seiner Arbeit betont auch Michele Hostettler, Regionalleiter und stellvertreten-der Leiter der Geschäftsstelle: «Ich sehe es als meine Pflicht, etwas für die Notleidenden und Armutsbetroffenen in der Region Basel zu tun. Diese Arbeit erfüllt mich mit jeder Faser meines Körpers». Alleine in der Stadt Basel und Umgebung leben mehr als 30’000 Personen in Armut. Schweizweit waren gemäss Bundesamt für Statistik im Jahr 2020 gar 722 000 Menschen oder 8,5 Prozent der Bevölkerung von Armut betroffen – also jede zwölfte Person in der Schweiz.



Brücke vom Überfluss zum Mangel

Auf dem Tourenplan stehen in abwechselnden Blöcken 15 Spende- und 9 Abnahmeorte. Wir fahren Verkaufsstellen von Coop, Manor, Migros, Aldi und Lidl sowie zwei Gastronomieunternehmen an, um Lebensmittel abzuholen. Wenn Elio und ich mit den gelben Überziehern der Schweizer Tafel bei den Filialen ankommen, stehen die mit Lebensmittel gefüllten Gebinde oder Kartons im Lager bereit. Es ist ein eingespielter Ablauf und ein angenehmes Miteinander – gemeinsam für eine gute Sache. Doch das Engagement und Commitment hängt wesentlich von den jeweiligen Geschäftsführer:innen ab. Noch immer landen teilweise zu viele Lebensmittel in den Filialen im Abfall. «Wir sind in regelmässigem Austausch mit unseren Partnern und sensibilisieren sie auch für dieses Thema», sagt Michele Hostettler.


Beispiel Soup&Chill

Die Abgabestellen befinden sich mehrheitlich im Kleinbasler Stadtzentrum: das Männerhaus der Heilsarmee, der Treffpunkt Glaibasel, die Kontakt- und Anlaufstelle Erlenmatt, das Elim Gassenmobil oder die Institution Soup&Chill. In der Stadt Basel ist die Ungleichheit der Vermögensverhältnisse besonders hoch, d.h. wenige Personen besitzen einen grossen Teil der Vermögen. Die Soup&Chill in Basel ist ein sozialer Treffpunkt und befindet sich etwas versteckt direkt neben dem Basler Bahnhof.

Anfänglich als Provisorium errichtet, steht die Institution heute als Treffpunkt gegen die Einsamkeit allen offen: es kommen Alleinerziehende, Working Poors, ältere Menschen, Obdachlose und Geflüchtete aus verschiedenen Ländern. Das Konzept ist einfach, aber bestechend: aus den angelieferten Lebensmitteln werden kostenlose Mahlzeiten und im Winter eine nahrhafte Suppe zubereitet. Der Garten oder der Innenraum bieten einen sozialen Austauschort für die diese Menschen. In der Küche des Soup&Chill in Basel arbeiten Asylsuchende im Rahmen eines Arbeitsintegrationsprojektes. Ohne die Lebensmittellieferungen der Schweizer Tafel wäre das Projekt nicht überlebensfähig; das Budget würde schlicht nicht reichen, um die 100 bis 140 Gäste zu verpflegen.


Für mich persönlich war es eindrücklich, auf dem Arbeitseinsatz die gelebte Armut mit eigenen Augen zu sehen. Der tägliche grosse Einsatz der rund 110 Freiwilligen und über 20 Festangestellten der Schweizer Tafel erhält meine grosse Anerkennung. Angesprochen auf die Zukunftspläne hat Michele Hostettler noch viele Pläne, sei es am Standort in Pratteln oder in der Zusammenarbeit mit den Partnern der Schweizer Tafel. Verraten sei an dieser Stelle lediglich: Die Organisation bleibt auch weiterhin innovativ und voller Tatendrang!


 



Über die Schweizer Tafel

«Essen verteilen – Armut lindern.» Unter dieser Mission verteilt die Schweizer Tafel einwandfreie, überschüssige Lebensmittel an 500 soziale Institutionen wie Obdachlosenheime, Gassenküchen, Notunterkünfte, Frauenhäuser und andere Hilfswerke: Jährlich über 4’700 Tonnen im Wert von 31 Millionen Franken – oder täglich rund 18 Tonnen. Die Schweizer Tafel ist zu 100 Prozent spendenfinanziert und auf die Hilfe von Freiwilligen und Zivildienstleistenden angewiesen.

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