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Freiwilliges Engagement in der Schweiz: Engagiert, initiativ, verantwortungsvoll

Aktualisiert: 19. Nov. 2022


Freiwilligenarbeit hat in der Schweiz eine lange Tradition und leistet einen unersetzbaren Beitrag für die Gesellschaft. Vier von zehn Personen in der Schweiz sind freiwillig engagiert: in Organisationen, Vereinen, im Quartier oder im nahen Umfeld.

 

Unentbehrlich für unsere Gesellschaft

Tausende engagieren sich freiwillig in der Pflege, in Sport-, Hobby- und Freizeitvereinen, in der Kultur oder in der Politik. Viele Aufgaben von öffentlichen Diensten und nichtstaatlichen Organisationen wie auch Hilfeleistungen im sozialen Umfeld z.B. im Dorf, im Quartier oder in der Nachbarschaft sind ohne Freiwillige nicht denkbar.


41 Prozent der Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren engagiert sich in irgendeiner Form freiwillig. Das zeigt der Freiwilligen-Monitor 2020. Dabei wird zwischen formeller oder informeller Freiwilligenarbeit unterschieden. Zur formellen Freiwilligenarbeit zählt ein Einsatz in öffentlichen Institutionen, Organisationen oder Vereinen, beispielsweise in einem Sportverein oder einem Mittagstisch des Quartiervereins. Informelle Freiwilligenarbeit umfasst unbezahlte Hilfeleistungen für Personen, die nicht im selben Haushalt leben wie z.B. Nachbarschaftshilfe, Kinderbetreuung oder Pflege von Verwandten. Rund 13 Prozent der Schweizer:innen engagieren sich heute online z.B. beim Aufbau einer Webseite, bei der Pflege eines Blogs oder durch Mitwirkung bei einem Online-Projekt.


Freiwilligenarbeit in Zahlen

Die Zahlen sind beeindruckend: Freiwillige in der Schweiz leisten jährlich rund 660 Millionen Stunden Freiwilligenarbeit. In monetärer Form umgerechnet entspricht dies jährlich 33 Milliarden Schweizer Franken (mit einem Stundenlohn von 50 Franken). Dies entspricht knapp 4,5 Prozent des Schweizer Bruttoinlandproduktes. (Quellen obiger Abschnitt: 1,2; vgl. Verzeichnis am Ende)


Freiwilligenarbeit und ihre Grenzen

Freiwilligenarbeit lässt sich anhand dreier Kriterien definieren: die Tätigkeit ist unbezahlt, begünstigt Personen oder Organisationen ausserhalb des eigenen Haushalts und ist eine produktive Leistung. Nach dem sogenannten «Drittpersonen-Kriterium» (nach Bühlmann und Schmid, 1999) gilt, dass die Tätigkeit auch an eine dritte Person gegen Bezahlung übertragen werden könnte, d.h. dass eine Zahlungsbereitschaft vorhanden ist. Die drei Kriterien sind noch mit dem Aspekt zu ergänzen, dass ein Engagement auch freiwillig erfolgt. Damit grenzt sie sich von der Milizarbeit ab. Die Grenzen zur Erwerbsarbeit auf der einen und zur Care-Arbeit im familiären Umfeld auf der anderen Seite sind dabei oft fliessend. (Quellen: 1,5,6)



Detaillierter Einblick: freiwilliges Engagement in der Schweiz

Rund alle vier Jahre erhebt der Freiwilligen-Monitor Schweiz, wie hoch das Engagement der Schweizer Bevölkerung ist und gibt Einblick in die Demographie, die Motive und das Potenzial der Freiwilligen. Gleichzeitig vertieft und erweitert er die vom Bundesamt für Statistik erhobenen Daten zur Freiwilligenarbeit um wichtige Fragestellungen und stellt einen breiteren Kontext her. Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Freiwilligen-Monitor Schweiz 2020 sind:

  • Entwicklung: Die Zahl der Freiwilligen ist in den letzten 20 Jahren konstant geblieben, es gibt jedoch Verschiebungen: im Sport, in Interessenverbänden und im öffentlichen Dienst nimmt die formelle Freiwilligenarbeit ab, in Spiel-, Hobby-, Freizeitvereinen, in Kulturorganisationen sowie in sozialen und karitativen Organisationen nimmt sie zu.

  • Profil der Freiwilligen: Frauen engagieren sich stärker in kirchlichen, sozialen oder karitativen Organisationen. Männer sind vermehrt in Spiel-, Hobby- oder Freizeitvereinen tätig. In der formellen Freiwilligenarbeit, welche auch das Vereinsengagement umfasst, sind insgesamt mehr Männer als Frauen aktiv. Der Umstand, dass es im Vereinswesen mehr Sportvereine als kulturelle und soziale Organisationen gibt, relativiert allerdings diesen Aspekt. Überproportional in Vereinen und gemeinnützigen Organisationen vertreten sind auch Personen im Alter von 45 bis 74 Jahren, Landbewohner:innen, Deutschschweizer:innen, Personen mit höherer Bildung und höherem Einkommen sowie Eltern mit Kindern im Alter von mehr als sechs Jahren. In der informellen Freiwilligenarbeit, welche u.a. die Care-Arbeit umfasst, sind weitaus mehr Frauen als Männer aktiv.

  • Potenzial: Frauen, Jüngere, Personen in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz, Stadtbewohner:innen und in der Schweiz lebende Ausländer:innen zeigen eine hohe Bereitschaft, sich stärker in der formellen Freiwilligenarbeit zu engagieren. Als Bedingungen für ein freiwilliges Engagement werden genügend Zeit, ein passendes Thema im Fokus der Arbeit, zeitliche Flexibilität und ein funktionierendes Team angeführt.

  • Motivation: Bei einer formellen Freiwilligentätigkeit steht das Bedürfnis im Vordergrund, mit anderen Menschen etwas zu bewegen, Verantwortung zu übernehmen, die eigenen Kenntnisse zu erweitern und Spass zu haben. Finanzielle Entschädigung wird hingegen nur selten als Beweggrund genannt. Bei der informellen Freiwilligenarbeit steht der Anreiz im Vordergrund, anderen Menschen zu helfen und soziale Beziehungen zu pflegen.


Mitgestalten und Verantwortung übernehmen

Es ist kein genereller Rückgang des freiwilligen Engagements ist in den letzten Jahren zu beobachten, allerdings gibt es Verschiebungen: Seit den 1970er-Jahren ist die Vereinsmitgliedschaft in der Schweiz von 96 Prozent auf einen Wert zwischen 60 und 70 Prozent gesunken. Gleichzeitig lässt sich feststellen, dass immer weniger junge Menschen in Vereinen aktiv sind sowie die Rekrutierung von Vorstandsmitgliedern immer schwieriger wird. Freiwillige wollen sich heute vermehrt punktuell engagieren und sich mit eigenen Ideen einbringen.


Das bestätigt auch die Studie «Die neuen Freiwilligen» des Gottlieb Duttweiler Instituts. Sie zeigt: moderne Freiwilligenarbeit geht nicht ohne Partizipation und Einbindung in die Gemeinschaft. Freiwillige wollen mitdenken und mitbestimmen anstelle nur auszuführen. Sie möchten sich schnell und projektbezogen engagieren und Projekte hierarchiefrei verhandeln und entwickeln. (Quellen: 3,4)


Anmerkung: Die Begrifflichkeiten «Freiwilligenarbeit» und «freiwilliges Engagement» werden im Text als Synonym verwendet.


 

Quellen:

  1. Lamprecht, Markus; Fischer, Adrian; Stamm, Hanspeter: «Freiwilligen-Monitor Schweiz 2020», URL: https://sgg-ssup.ch/freiwilligenarbeit/freiwilligenmonitor/

  2. Bundesamt für Statistik: «Freiwilliges Engagement in der Schweiz 2020», URL: https://www.bfs.admin.ch/news/de/2021-0625

  3. Samochowiec, Jakub; Thalmann, Leonie; Müller, Andreas: «Die neuen Freiwilligen», 2018, URL: https://gdi.ch/ueber-uns/medien/publikation-der-gdi-studie-die-neuen-freiwilligen-die-zukunft-zivilgesellschaftlicher-partizipation

  4. Freitag, Markus: «Im Wert von 35 Milliarden Schweizer Franken», in: Du Kulturmedien 903, 2020

  5. Stadelmann-Steffen, Isabelle; Manatschal, Anita: «Freiwilligentätigkeit in Kantonen und Gemeinden; Befunde aus dem Schweizer Freiwilligen-Monitor», 2016, URL: https://www.benevol.ch/fileadmin/images/global/benevol_Schweiz/Div_PDF/Freiwilligen-Monitor_Schweiz_2020.pdf

  6. Bühlmann, Jacqueline; Schmid, Beat: «Unbezahlt – aber trotzdem Arbeit. Zeitaufwand für Haus- und Familienarbeit, Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und Nachbarschaftshilfe», 1999, URL: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/kataloge-datenbanken/publikationen.assetdetail.344331.html


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